Tradition - Willigis - Vision II
Im September 2023 hatte die Leitung der Kontemplationslinie, Petra Wagner und Fernand Braun, den Lehrenden einen ersten Teil der von ihnen erarbeiteten Rahmenrichtlinien vorgestellt. In diesem Jahr folgte ein weiterer Teil. Er beschreibt die Organisationsform der Linie als Weggemeinschaft sowie die kontemplativen Übungsformen und ihre Vermittlung. Die Tagung wurde wie immer strukturiert von Zeiten des Sitzens in der Stille, die die Tage einleiteten und wohltuend unterbrachen.
Am Freitagabend hielt zunächst Prof. Bernhard Uhde einen Vortrag über das wechselnde Verständnis von Kontemplation in der christlich-abendländischen Tradition bis zum Hochmittelalter. Der Blick zurück sollte den Beitrag von Willigis Jäger deutlich machen, der die ihm wichtig gewordenen Aspekte herausgestellt und weitergeführt hatte.1
Am Samstagvormittag stellten Petra Wagner und Fernand Braun den Teil der Rahmenrichtlinien vor, der sich mit der Linie, dem Gründer, der Nachfolge, mit den Lehrenden und Schülern und mit der Übung und den konkreten Übungsformen befasst. Darauf folgte eine Arbeitsphase, in der sich die Teilnehmenden in Dreiergruppen austauschten. Auf die Fragen: Was ist dir bei einer Weggemeinschaft wesentlich? Wie erlebst und lebst du sie? wurde persönlich geantwortet bzw. achtsam zugehört, zuletzt einander Resonanz gegeben. Es entstand ein kontemplativer Raum der stillen Präsenz, der tiefe Begegnungen möglich machte. Am Nachmittag setzten sich Austausch und Begegnungen in dieser Form in neuen Gruppenkonstellationen, diesmal zum Thema Wegbegleitung, fort.
Im Plenum ging es dann um konkrete Aspekte der Weggemeinschaft, um den Austausch zwischen Linienleitung und Mitgliedern, um Fragen nach der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu weiteren spirituellen Gemeinschaften und nach der Bestätigung eigener Schüler*innen. Nach engagierten Diskussionen schloss der Tag mit der „Feier des Lebens“ und dem gewohnten Beieinandersein im Restaurant Troand.
Bevor es am Sonntagvormittag um Organisatorisches und künftige Planungen2 ging, wurden im Plenum die kontroversen Gesprächsfäden des Vortags noch einmal aufgenommen. Die Linienleitung beschloss, den aufgeworfenen Fragen in einem kleineren Kreis weiter nachzugehen. Zum Abschluss der Tagung las Fernand das Gedicht „Gemeinsam“ von Rose Ausländer vor und die Teilnehmenden verabschie-deten sich voneinander mit einem Segen, den sie sich gegenseitig zusangen.
In der anschließenden Fortbildung wurde in einer Gruppe von acht Teilnehmenden Weggemeinschaft noch einmal in besonderer Weise erfahrbar. Zum einen durch das vertiefte eigene Erforschen und Zuhören, das nun in wechselnden Zweiergruppen stattfand. Dabei ließen sich die Teilnehmenden sowohl auf die Perspektive des Begleitens wie auch des Begleitet-Werdens ein und darauf, ihre Antworten auch körperlich auszudrücken, unterstützt durch die Fragen: Was ist dir wesentlich? Was hast du gebraucht / brauchst du? Auch der Bedeutung der kontemplativen Übungsformen für sie selbst gingen sie nach mit den Fragen: Was war und ist daran wesentlich für dich? Wie vollziehst du die Übung heute und wie gibst du sie weiter? Doch auch das Gespräch in der Gesamtgruppe war von großer Offenheit geprägt. Die persönlichen Erfahrungen und die Vielfalt von Impulsen, die durch die Leitenden, Petra und Fernand, wie auch durch die Unterschiedlichkeit der Teilnehmenden entstanden, wurden als überaus bereichernd erlebt. (Einige Eindrücke von Teilnehmenden finden sich auf der folgenden Seite.)
Annette Frickenschmidt
1 Der Videomitschnitt des Vortrags soll demnächst auf dem Youtube-Kanal des Benediktushofs eingestellt werden.
2 Zur kommenden Tagung und zu einem Symposium anlässlich des 100. Geburtstags von Willigis Jäger siehe S. 13